Stellungnahme der DEG zu den gewaltsamen Angriffen in Gießen am 20.08.2022

Die Deutsch-Eritreische Gesellschaft (DEG) verurteilt die gewalttätigen Angriffe auf ein am vergangenen Samstag in der Gießener Messehalle geplantes eritreisches Konzert durch marodierende, mit Eisenstangen, Schlagstöcken, Messern und Steinen bewaffnete Angreifer auf das schärfste.

Laut Polizeibericht wurden durch den Angriff 26 Helfer der eritreischen Veranstaltung verletzt, auch sieben Polizisten hätten leichte Verletzungen davongetragen. Der DEG liegen hierzu andere Informationen vor, wonach die Zahl der Verletzten weitaus höher ist. Daraufhin wurde ein Großeinsatz der hessischen Polizei ausgelöst, das Konzert wurde im weiteren Verlauf nach einer entsprechenden polizeilichen Anordnung abgesagt.

Die Protagonisten und Organisatoren dieses von langer Hand vorbereiteten und bis ins Detail geplanten Überfalls sind identisch mit denen, die das regelmäßig ebenfalls in Gießen stattfindende „Eritrea-Festival“ seit Jahren zu verhindern versuchen. Unter maßgeblicher Leitung des lokalen Grünen-Politikers Dr. Klaus- Dieter Grothe wird alljährlich eine Demonstration gegen die Feierlichkeiten organisiert, die von den Organisatoren stereotyp als „Propaganda und Unterstützung für eine Diktatur in Eritrea“ bezeichnet werden. Unbeeindruckt hiervon ist das eritreische Festival seit den 70er Jahren in Deutschland mit großer Beteiligung – ebenso wie in zahlreichen anderen Ländern – Jahr für Jahr friedlich gefeiert worden, unterbrochen lediglich durch die längere Corona-Phase.

Offenkundig wird nunmehr, dass die Initiatoren der Gewaltexzesse am Samstag von vorneherein einen 2- Stufen-Plan verfolgt haben: Untersagung des Konzerts auf gerichtlichem Wege in der ersten Stufe und – falls dies nicht klappt – Erzwingung des Abbruchs der Veranstaltung mit roher Gewalt in der zweiten Stufe.

Die in sozialen Netzwerken angekündigte Gewalt und Stürmung des Geländes wurde von den Organisatoren der Demonstration hingenommen und im Nachhinein sogar gefeiert. In Videos, die auf YouTube veröffentlicht wurden, feierten sie gemeinsam mit den Tätern die Erstürmung. In einem mittlerweile gelöschten Facebook-Beitrag des Gießener Grünen Politikers Dr. Grothe hatte dieser die mit Gewalt erzwungene Absage des Konzerts ausdrücklich begrüßt. In den deutschen Medien wurde im Vorfeld der Veranstaltung Stimmung gegen das Konzert gemacht, indem man einseitig die Aussagen von Dr. Grothe verbreitete. Dieser behauptete in einem durch die taz am 18.08.2022 verbreiteten Artikel, dass „auf dem Konzert junge Soldaten für den Krieg in Tigray rekrutiert werden sollten“.

Auf diese Weise heizten die Medien durch unkritische Übernahme der unbewiesenen Behauptungen des Dr. Grothe die Stimmung auf. Diese wurde noch weiter aufgeladen, als ein Eilantrag der Demonstrations- Veranstalter, mit dem die Untersagung erzwungen werden sollte, durch die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts abgelehnt wurde. Damit war die erhoffte Strategie, das Konzert gerichtlich zu verhindern, endgültig gescheitert.

Wider besseres Wissen wurde in den Medien darüber hinaus gleichbleibend vom „eritreischen Festival“ gesprochen, obwohl dieses bereits Anfang Juli stattgefunden hatte und es sich in Wahrheit um ein Konzert junger eritreischer Künstler handelt. Dies ist kein Zufall oder Versehen, dahinter steckt das Kalkül, die Konzert-Veranstaltung mit dem jährlich stattfinden Festival in Verbindung zu bringen und das Missverständnis nahezulegen, es handele sich um ein und die gleiche Veranstaltung. Erklärtes Ziel ist es – wie bereits in den Jahren zuvor – das Festival in Gießen gänzlich zu verbieten.

Anders als in der Vergangenheit haben die Demonstranten rund um Dr. Grothe dieses Mal Unterstützung von einer gewaltbereiten Bande erhalten, die sich selbst in den sozialen Netzwerken als „Briged Nihamedu“ bezeichnet. Hierbei handelt es sich dem Vernehmen nach um eine europaweit agierende Terrorzelle, die junge, aus der Region Tigray im Norden Äthiopiens stammende Männer rekrutiert. Diese sympathisieren mit der eritreischen Opposition im Ausland, um die Angehörigen der eritreischen Diaspora in Deutschland und anderswo in Europa zu bekämpfen.

In zahlreichen Interviews in den sozialen Netzwerken hat diese Zelle ihre Taten angekündigt. Die ausgegebene Parole lautete: erst das Konzert in Deutschland verhindern, dann in der Schweiz und dann in Norwegen. Ihre Mitglieder prahlen damit, dass sie sich wegen einer möglichen Strafverfolgung in Deutschland und in Europa keine Sorgen machen, da sie Gewalt für den angeblichen Frieden als gerechtfertigt bezeichnen. Die Organisatoren gaben auch in zahlreichen Interviews in der Hessenschau bekannt, dass sie mit dieser Herangehensweise keine Probleme haben, solange ihre Ziele erreicht werden.

Bei dieser Gruppe von ca. 100-150 Personen, die den Behörden mittlerweile zum größten Teil bekannt sind, wird vermutet, dass sie – ungeachtet ihrer tatsächlichen Herkunft aus Tigray – oftmals als vermeintliche Eritreer Asyl in Deutschland bzw. den Niederlanden beantragt und auch erhalten haben. Dieses war möglich, da keine Identitätsnachweise erfragt wurden. In den öffentlich gemachten Videos auf deren Profilen und auf YouTube ist die Nähe zur TPLF und Tigray klar ersichtlich.

Aus Sicht der DEG ist es unerlässlich, im Rahmen der Ermittlungen durch die Strafverfolgungsbehörden und des Staatsschutzes den Hintergrund dieser Terrorzelle zu untersuchen, die Identität ihrer Mitglieder zu überprüfen, und in diesem Zusammenhang auch festzustellen, ob es sich tatsächlich um Menschen aus Eritrea oder in Wahrheit aus Tigray handelt.

So absolut notwendig es ist, die schon fast Pogrom-artigen Gewaltexzesse vom 20.08. aufzuarbeiten und die Verantwortlichen strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen, die Rolle von Herrn Dr. Grothe zu beleuchten, und ihn – sollten die Vorwürfe sich bewahrheiten – zum Rücktritt zu veranlassen, so reicht dies nach unserer Überzeugung nicht aus, den tieferliegenden Ursachen gerecht zu werden.

Diese liegen in dem unkritischen, nicht reflektierten weit verbreiteten Eritrea-bashing und der nicht an Fakten orientierten Dämonisierung Eritreas und seiner Regierung als „Nordkorea Afrikas“ durch einen Großteil der westlichen Leitmedien und Regierungsvertreter. Die seit Jahren andauernde Verunglimpfung und Verleumdung Eritreas als vermeintliche „Diktatur am Horn von Afrika“, die von den USA und der EU ungerechtfertigte Aufrechterhaltung von Sanktionen gegen Eritrea ohne belegbaren Grund, und die Verweigerung eines an Fakten ausgerichteten Dialogs mit Eritrea und seinen Institutionen haben erst den vergifteten Boden bereitet, auf dem sich Exzesse wie der jetzt vorgefallene überhaupt entfalten können.

Die DEG appelliert daher an alle Institutionen, politischen Mandatsträger und die Medien, zu einem sachlichen Dialog und zu einem an belegbaren Tatsachen festgemachten Diskurs zurückzukehren, der eine inhaltliche Auseinandersetzung über kontroverse Themen, die Eritrea und das Horn von Afrika betreffen, zum Ziel hat und möglich macht.

Der Vorstand der DEG

Frankfurt, 25.08.2022

DEG