Bericht der jungen Welt zu den Angriffen auf eine eritreische Veranstaltung in Israel im September 2023

Bericht der jungen Welt zu den Angriffen auf eine eritreische Veranstaltung in Israel im September 2023
Gewalt angedroht und mit Eisenstangen umgesetzt: Die Angreifer bahnen sich ihren Weg durch Tel Aviv (2.9.2023)

Erneute Provokation

Israel: Viele Verletzte nach heftiger Gewalt gegen eritreische Veranstaltung und Einsatzkräfte. Netanjahu will abschieben

Von Ina Sembdner, junge Welt Ausgabe 205, Seite 1 vom 04.09.2023

Die Einschätzung des Chefs des Ichilov-Krankenhauses in Tel Aviv ist drastisch: Die schwersten Massenunruhen seit der zweiten Intifada. Und der erste Einsatz von scharfen Waffen auf Demonstranten in Israel seit Oktober 2000. Mit dem Ergebnis, dass am Sonnabend mehr als 150 Menschen verletzt wurden, darunter 30 Polizeibeamte. Aufgerufen wurde zu Blutspenden, »als Reaktion auf den gravierenden Mangel an Blut aller Art und die Schwierigkeit, die Krankenhäuser ausreichend mit Blut zu versorgen, um Kranke und Verletzte zu behandeln«, wie Times of Israel online meldete. Nach jüngsten Polizeiangaben wurden bei den Angriffen mutmaßlicher Eri­treer 52 Demonstranten festgenommen. Sie hätten Schlagstöcke, Tränengas und Elektroschocker bei sich gehabt. Die Demonstranten schlugen auch Scheiben von Polizei- und anderen Autos sowie Fenster umliegender Geschäfte ein. Die Polizei teilte mit, Einsatzkräfte hätten sich in Lebensgefahr gesehen und deshalb mit scharfer Munition geschossen. Dabei seien mehrere Demonstranten verletzt worden.

Und auch hier sollen wieder einmal »eritreische Oppositionelle« und »Regimeanhänger« außerhalb ihres Heimatlandes aufeinander losgegangen sein. Aber auch in Israel war es wie in Gießen, Stockholm, Toronto, Seattle zuvor: Eine Gruppe gewaltbereiter angeblicher Eritreer geht gewaltsam gegen eritreische Veranstaltungen im Ausland vor. In diesem Fall traf es die Botschaft des Landes. Tatsächlich handelt es sich seit der faktischen Niederlage der sogenannten »Volksbefreiungsfront von Tigray« in Äthiopien im vergangenen Jahr um eine systematische Verlagerung des Kampfes gegen den langjährigen Nachbarn und Erzfeind Eritrea. Zuvor hatten die »Oppositionellen« gefordert, die Veranstaltung abzusagen und andernfalls vor Gewalt gewarnt.

Gleichzeitig brachen sich in Israel rassistische Entgleisungen Bahn, sowie die opportune Betonung der Notwendigkeit der geplanten »Justizreform«. So schrieb etwa der Likud-Abgeordnete Boaz Bismuth auf X: »Die Richter des Obersten Gerichtshofs gefährden die Existenz des Staates Israel als nationale Heimat des jüdischen Volkes.« Vorgeworfen wird den Richtern, dass sie den »eritreischen Asylsuchenden« erlaubt hätten, sich überhaupt in den südlichen Nachbarschaften Tel Avivs niederzulassen. Die Likud-Abgeordnete Revital Gottlieb erklärte mit gleicher Stoßrichtung, dass das Gericht einen »fatalen Fehler« gemacht habe, als es zugelassen habe, »dass Eritreer den Süden Tel Avivs besetzen und die Bewohner bedrohen«.

Premierminister Benjamin Netanjahu reagierte ebenfalls gewohnt radikal und erklärte: »Randale, Blutvergießen – das ist eine Zügellosigkeit, die wir nicht akzeptieren können.« Er forderte »starke Schritte gegen die Randalierer, einschließlich einer sofortigen Ausweisung derer, die beteiligt waren«. Er beauftragte den Ausschuss darüber hinaus, einen umfassenden Plan zur Ausweisung aller »illegalen Eindringlinge« aus Israel vorzubereiten. Es könnte sich allerdings als schwierig erweisen, Menschen in ein Land abzuschieben, mit dem sie nichts außer der Sprache – Tigrinya – teilen. Oppositionsführer Benjamin Gantz kam der Realität ein Stück näher. Er schrieb auf X: »Was heute auf den Straßen von Tel Aviv geschah, war kein legitimer Protest, sondern schwere Gewalt.« Sollten die Hintergründe dieser weltweiten Bewegung, die rücksichtslos ihre Interessen verfolgt, nicht aufgeklärt werden, wird es bis zum ersten Toten nicht mehr lange dauern. In Gießen ist zumindest der Anfang gemacht.

https://www.jungewelt.de/artikel/458220.der-lange-arm-der-tplf-erneute-provokation.html

DEG