Berlin: Deutscheritreer demonstrieren für Grundrechte gegenüber gewaltsamen Übergriffen. Protest friedlich beendet

Berlin: Deutscheritreer demonstrieren für Grundrechte gegenüber gewaltsamen Übergriffen. Protest friedlich beendet
Klar und deutlich: Teilnehmende der Demonstration des Zentralrats der Eritreer am Freitag in Berlin

Eritreische Diaspora: Friedlich gegen Gewaltexzesse

Von Ina Sembdner, junge Welt, Ausgabe vom 21.10.2023, Seite 4

Unter dem Motto »Gewalt schafft kein Recht« sind am Freitag rund 1.000 Deutscheritreer durch das Zentrum Berlins gezogen. Aufgerufen zu der Demonstration, die den »Erhalt und die Achtung unserer Grundrechte sowie der Schutz unserer kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenkünfte« forderte, hatte der Zentralrat der Eritreer. Gewaltsame Angriffe seitens vermeintlicher eritreischer Oppositioneller blieben dieses Mal aus. Auch vor Beginn der Kundgebung hatte es keine offenen Drohungen oder Gewaltaufrufe wie bei vorherigen Veranstaltungen des Zentralrats oder anderer eritreischer Vereine gegeben.

Neben vielen Flaggen Eritreas – und auch deutschen – sowie Schirmen in den Nationalfarben des kleinen Landes am Horn von Afrika war auf Schildern und Transparenten beispielsweise zu lesen: »Hört auf mit Täter-Opfer-Umkehr«, »Stoppt Gewaltexzesse auf unseren Veranstaltungen«, »Gewalttäter hinter Gitter« – letzteres ein Wink in Richtung der hiesigen Strafverfolgungsbehörden, die erstaunliche Milde gegenüber den Beteiligten der im August vergangenen Jahres in Gießen losgetretenen Angriffswelle auf deutscheritreische Veranstaltungen walten ließ.

Letzter Höhepunkt waren im September Attacken gegen ein Seminar in Stuttgart. Dies hatte zur Folge, dass eine weitere geplante Veranstaltung des Verbands der eritreischen Vereine in der baden-württembergischen Landeshauptstadt »im gegenseitigen Einvernehmen« nicht stattfinden konnte. Am Freitag blieben die bundesweit angereisten Teilnehmer in Berlin von dem »wütenden, gewaltbereiten und bewaffneten Mob« verschont, den Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) nach den Angriffen in Stuttgart angeprangert hatte.

Bei der Abschlusskundgebung vor dem Kanzleramt berichtete Dirk Vogelsang vom Vorstand der Deutsch-Eritreischen Gesellschaft von seinem jüngsten Besuch in Eritrea. Dort sei er gefragt worden, was los sei »bei euch in Deutschland, in Europa«. »Warum werden die Versammlungen unserer Landsleute überfallen? Wieso werden diese nicht besser geschützt?« gab er die ihm gestellten Fragen wieder. Eine weitere: Stimme es tatsächlich, »dass unsere Vereine allen Ernstes sogar aufgefordert worden sind, auf das Versammlungsrecht zu verzichten, damit die Angreifer milde gestimmt werden und weitere Angriffe unterlassen«? Bei seinem Aufenthalt in Eritrea sei Vogelsang auch gefragt worden, ob man in der BRD nicht wissen, »dass diese Angreifer traumatisierte junge Männer aus der äthiopischen Nordprovinz Tigray sind, die sich für die Niederlage in einem Krieg rächen wollen, den ihre eigene Führung vom Zaun gebrochen hat und dessen tatsächlichen Grund sie bis heute nicht verstanden haben«.

Am Verständnis mangelt es wohl nicht, eher daran, dass das kleine Land seit seiner in 30 Jahren erkämpften Unabhängigkeit in den 1990er Jahren einen konsequent eigenständigen Weg geht – und daher in Deutschland und anderen westlichen Ländern als »Diktatur« gebrandmarkt werden muss.

https://www.jungewelt.de/artikel/461492.friedlich-gegen-gewaltexzesse.html

DEG